Wer technisch gut aufgestellt ist, ist klar im Vorteil. Bekennende Analogpunks wie ich ziemlich im Nachteil, besonders wenn sie ein home-school-Kind zu betreuen haben. Die Lehrerinnen schicken über verschiedene Kanäle Aufgaben, zu deren Bearbeitung dann irgendwelche Apps herunter geladen werden müssen. Ich bekomme das technisch und organisatorisch schwer in Griff und wenn es dann mal läuft bricht garantiert der Server der Schule wegen Überlastung zusammen. Immerhin hatten wir noch einen alten Computer (der dann allerdings auch kaputt ging), den das Kind benutzen kann, ist ja nicht selbstverständlich, dass jedes Familienmitglied einen eigenen Computer zur Verfügung hat. Andere sind da noch viel abgehängter als wir.
Großes Helau bei der ersten Videokonferenz im Frühjahr, nachdem sich die Kinder wochenlang nicht gesehen hatten. Die Begeisterung hat sich inzwischen gelegt und ist dem Überdruss gewichen. Eine ganze Generation wird nun geprägt von sozialem Kontakt vorwiegend am Bildschirm. Bis vor kurzem hatten sich die Lehrerinnen noch darum bemüht, dass die Kinder in den Pausen die Handys auslassen und direkt miteinander sprechen und spielen. Das hat sich jetzt erledigt.
Als dann meine Webseite von Schadcode befallen (gemein!) und komplett zusammen gebrochen war, gleichzeitig das Telefon kaputt ging und der Schul-Server schon wieder nicht funktionierte, war ich am Rande des Nervenzusammenbruchs. Mothers littel helpers kamen notfallmäßig- allopathisch zum Einsatz.
Schwacher Trost, nicht nur ich bin anscheinend technischen Attacken ausgesetzt und überfordert. Die Funke-Medien-Gruppe, die immerhin einige große Printmedien betreibt, war ebenfalls durch einen Hackerangriff zur Funktionsuntüchtigkeit verbannt. Tagelang erschienen nur, quasi handgeschriebene, Notfall-Flugblätter statt der üblichen Zeitungen.
Die meisten Jüngeren sind besser orientiert. Jetzt weiß ich, wie sich meine Oma gefühlt haben muss, als sie das erste Mal mit einem Anrufbeantworter zu tun hatte. Obwohl es auch richtig alte Leute gibt, die mitgehen, wie mein achtzigjähriger Nachbar, der nun seinen Enkeln per Zoom Nachhilfe in Mathe gibt. Respekt!
Apropos Zoom, der Besitzer ist schwuppdiwupp von 0 auf 100 zu einem der reichsten Männer der Welt aufgestiegen. Es gibt eben auch Krisengewinner.
Ist wirklich nützlich, nicht nur wegen der Kontaktbeschränkungen, sondern um mit Leuten an verschiedenen Orten der Welt per Video in Kontakt zu treten. Mit der Hausgemeinschaft war es auch mal ganz witzig. Besser als nichts und da nichts, also kein Kontakt, die Alternative war… Doch eigentlich geht mir nichts darüber, andere Menschen direkt zu sehen, zu hören, zu riechen. Berührung? Naja, immerhin der Stups mit den Ellenbogen, der sich inzwischen eingebürgert hat.
Die Vormachtstellung der Vorsichtigen, Vernünftigen, Verantwortungsvollen und die Technisierung gehen Hand in Hand. Wenn jemand Bedenken hat, sich direkt zu treffen (Infektionsschutz!), wird auf Kommunikation vermittels Telefon- oder Videokonferenzen umgeschaltet. Das gesamte politische und kulturelle Leben findet fast nur noch digital statt, wenn überhaupt.
Wenn überhaupt
In meiner kleinen Stadt sind die Strukturen der Lokalpolitik zu schätzungsweise 80 Prozent lahmgelegt. Sie waren schon vorher ziemlich schwerfällig, im Jahr 2020 passierte dann so gut wie gar nichts mehr. Eine der wenigen Stadtverordnetenversammlungen die stattgefunden hat wurde vorzeitig abgebrochen, weil es in der improvisierten Turnhalle kalt war; die verschiedenen Ausschüsse fallen sowieso ständig aus. Auf den bundes- und landesweiten Ebenen sieht es vielleicht etwas besser aus, aber auch dort schwächeln die parlamentarischen Strukturen. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Von der parlamentarischen Demokratie fühlten sich auch vor Corona nicht alle Menschen vertreten. Das ist nicht besser geworden. Ein Rückfall in autoritäre Strukturen wäre eine ungute Entwicklung.
Eine technisch-demokratische Zukunftsvision sieht Bürger*innen-Räte, unterstützt von Fachleuten und künstlicherer Intelligenz, als mögliche Ergänzung oder sogar als Ersatz. Der totale Siegeszug der Technik. Wie auch immer es beurteilt wird, die Welt ist eine noch viel technischere geworden und es ist kein Ende in Sicht. Vielleicht rettet uns ja die künstliche Intelligenz, wenn schon nicht unsere eigene.
Die gut organisierten Gruppen fahren zweigleisig, mit Hybrid. Wer sich direkt treffen will, macht es und die anderen können sich zuschalten. Das war dann auch meine Gruppe, bei der ich hängen geblieben bin, die mich über diese Zeit hinweg gerettet hat. Ich wollte nicht auf direkten Kontakt verzichten, solange es von den sich ständig veränderten Regelungen her erlaubt war und es keinen konkreten Grund zur Vermeidung gab.
Meine Empfehlung, an die ich mich selber immer wieder erinnern muss, regelmäßige digitale Pausen einlegen, zwischendurch einfach mal aus- und abschalten. Ich gehe möglichst einmal am Tag raus ohne Smartphone, mache keine Fotos, dafür die Augen auf und nehme die Bilder in mein Inneres. Selbst an grauen Dezembertagen gibt es sehr schöne Augenblicke.
Technik ermöglicht vieles und das wird sich sicher noch enorm steigern. Doch genauso wenig wie das Problem der ökologischen- und Klimakrise rein technisch gelöst werden kann, genau so wenig ist das Pandemie-Problem rein technisch zu lösen. Nichts gegen Luftfilteranlagen und Beatmungsgeräte, aber die stehen letztlich doch nur einem kleinen Teil der Menschheit zur Verfügung.
Wir brauchen eine Transformation der Technik hin zu erneuerbaren Energien, vor allem Photovoltaik, Lichtenergie, ganz klar. Trotzdem, ein Elektro-SUV ist nicht ökologischer als ein alter Benz; Fahrrad fahren, zu Fuß gehen oder öffentlichen Nahverkehr benutzen sollte unsere Zukunft sein. Wenn wir wirklich klimaneutral und ökologisch leben wollen, dann müssen wir unseren Energieverbrauch und unseren Konsum reduzieren. Verzicht ist ein Wort das eher negative Gefühle hervorruft, aber vielleicht hätte eine Reduzierung auch etwas befreiendes, vor allem wenn auch Leistungsdruck und Arbeitsstress reduziert wird. Zum zu Fuß gehen braucht es Zeit, dann tut es allen gut, dem Mensch und der umgebenden Natur. Das betrifft nicht nur die Mobilität sondern alle Lebensbereiche, auch den virtuellen, und es betrifft vor allem diejenigen, die viel haben. Je reicher, umso größer ist in der Regel der ökologische Fußabdruck, daran wird auch eine verträglichere Technik nichts ändern.
Unser anderer Rettungsanker ist das Vertrauen auf die Wissenschaft. Einschätzungen von Wissenschaftler*innen haben aktuell enormen Einfluss auf politische Entscheidungen, zumindest die von bestimmten Wissenschaftler*innen. Daher wird berechtigterweise oft angemahnt, in Bezug auf die Klimakrise genauso konsequent auf „die Wissenschaft“ zu hören. Allerdings gibt es große Unterschiede, beim Zeitfaktor und im Hinblick auf die Vielfalt wissenschaftlicher Meinungen. Die menschengemachte Erderhitzung wurde schon vor Jahrzehnten von wissenschaftlicher Seite problematisiert; beim Covid-SARS-2 Virus kommt sie offensichtlich kaum hinterher. Die Dynamik von dem Virus ist zu schnell. Außerdem sind die wissenschaftlichen Einschätzungen über den besten Umgang mit der Corona-Pandemie vielfältig. Das macht es zusammen mit dem beschleunigten Zeitfaktor nicht einfacher. Menschen, selbst sehr kluge kompetente Wissenschaftler*innen, können sich irren, weil nicht alles vorhersehbar ist. Das an sich ist kein Grund ihr Wissen abzulehnen, es muss aber auch nicht als absolute Weisheit verstanden werden. Leider ist auch die Wissenschaftsszene oftmals geprägt von Konkurrenz, Profilierung, Einzelkämpfertum und beeinflusst vom Lobbyismus, zum Beispiel der Pharmaindustrien. Es gibt nicht nur Virologen und Virologinnen die wichtiges beitragen, auch wenn diese bei einer Pandemie eine zentrale Rolle spielen. Meine Rettungs-Vision: Ein Rat unabhängige Wissenschaftler*innen verschiedener Fachrichtung die zusammen arbeiten und wiederum Bürger*innen-Räte beraten, die dann demokratisch entscheiden. Wenn es schon nicht bei der Pandemie geklappt hat, dann hoffentlich um die Klimakatastrophe abzuwenden.