Kontaktbeschränkung, Infektionsschutz und Hygiene

 

Die Infektionsschutzmaßnahmen schränken ein, tun weh, gefährden Existenzen, aber sind im gewissen Maß notwendig. Je weniger Kontakt, umso weniger Ansteckung, das ist nun mal so. Weltweit gibt es verschiedene, auch kulturell unterschiedlich geprägte Strategien. Es ist anerkannt, dass eine schnelle Ausbreitung vermieden werden sollte, um zu verhindern, dass viele Menschen gleichzeitig erkranken. Das wurde nur von Ignoranten wie Trump oder Bolsonaro in Frage gestellt, mit üblen Folgen.

 

Auf besonderes Interesse sind die Umgangsweisen von Schweden und Südkorea gestoßen. Der schwedische Weg hat dadurch vergleichsweise viel Freiraum ermöglicht, dass vor allem auf Selbstverantwortung gesetzt wurde. Südkorea war durch eine Kombination aus digitalem Aufspüren, gezielten Massen-Tests und strikter Verfolgung von Infektionsketten vergleichsweise erfolgreich. Nachahmenswert scheint vor allem der gezielte, möglichst umfassende Schutz von besonders gefährdeten Einrichtungen, wie Alten- und Pflegeheime.

 

Strenge und disziplinierte Kontakteinschränkungen sind, was die Infektionsausbreitung anbelangt, definitiv am erfolgreichsten, aber das Abflachen der Infektionskurve hat einen hohen Preis. Die Kontaktbeschränkungen lassen andere Kurven nach oben schießen: Depression, Sucht, Gewalt gegen Frauen und Kinder, Einsamkeit, Verzweiflung, Scheidungen und Insolvenzen.

 

Irritierend mit welch unterschiedlichem Maß gemessen wird. Nachdem im April und Mai 2020 so gut wie gar nichts ging, viele Kinder und Jugendliche sogar bis zu den Sommerferien kaum zur Schule konnten, kam es im Sommer zu einer erstaunlichen Wendung. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass Reisen in solchem Umfang wieder so schnell möglich gemacht und erlaubt werden. Selbst Flugzeuge hoben wieder ab Richtung Mallorca, Kanaren und in die große weite Welt. Dabei gehört es doch zum kleinen 1x1 des Infektionsschutzes, das zwei Faktoren für die Ausbreitung einer Epidemie besonders zu vermeiden sind: dicht gedrängte Massenansammlungen und Mobilität.

Selbst im totalen lockdown wurden Wanderarbeiter*innen in den Massenunterkünften der Fleischfabriken untergebracht. Im Herbst wurde nochmals deutlich, welche Werte dem Infektionsschutz geopfert werden und welche nicht. Schließen mussten Theater, Kinos und Museen, Hotels und Gastronomie, selbst Kirchen und Gotteshäuser, aber die großen Kaufhäuser blieben so lange geöffnet, bis die ersten Kliniken dann tatsächlich kurz vor einem Kollaps standen. Wir sollen alle schön arbeiten und natürlich kaufen, kaufen und nochmals kaufen. Politiker erklären „shopping“ zu einem Dienst an der Nation. Gleichzeitig werden die Menschen ermahnt, zuhause zu bleiben oder die sogenannte Pendlerquarantäne zu gehen, also zur Arbeit aber sonst nichts. Freiheit nur noch als Freiheit von Lohnarbeit, Handel und Geschäft. Kein Wunder, dass Menschen die Notwendigkeit von Infektionsschutz nicht mehr ernst genommen haben.

 

Dabei ist er durchaus notwendig, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Es knirscht und reibt sich aber weil durch den Infektionsschutz vieles eingeschränkt ist, was zum Leben gehört und für die Gesundheit notwendig ist. Wobei ich mit Gesundheit nicht nur die körperliche Funktionsfähigkeit meine, sondern auch soziales, seelisches und geistiges Wohlbefinden. Ein gutes Gleichgewicht damit zu finden war und ist nicht einfach. Das Leben zu schützen indem das Leben eingeschränkt wird ist eine Gradwanderung. Da vieles von oben herab bestimmt wird, demokratische Strukturen leiden und Versprechungen von gestern heute gebrochen werden, ist es für mich zumindest verständlich, dass einige Menschen das ungute Gefühl beschleicht, einer Willkürherrschaft ausgesetzt zu sein. Es ist sicher nicht einfach für Verantwortungstragende, unter dem Druck und der Schnelligkeit der Ereignisse ausgewogene Entscheidungen zu fällen. Nichtsdestotrotz wäre es wünschenswert, wenn die Politik die Krise nutzen würde, um längst überfällige Reformen umzusetzen, statt beständig neue Verordnungen raus zu geben und mit der finanziellen Gießkanne vorzugsweise die Großen zu tränken. Warum nicht endlich das bedingungslose Grundeinkommen einführen, statt Milliarden in zukunftslose Unternehmen wie Lufthansa oder TUI zu stecken? Damit könnte den Menschen sowohl materielle Sicherheit, als auch eine beruhigende Botschaft, in Zeiten der Ungewissheit, vermittelt werden. Außerdem würden diverse Neiddebatten überflüssig.

 

Einige Extremisten leugnen die Gefahr von zu massiver Ausbreitung oder sogar die Existenz des Virus komplett, propagieren Schuldzuweisungen und Hass und verweigern jegliche Vorsicht. Das ist aber nur ein Teil der Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstranten. Trotzdem, es war infektionsschutzmäßig ignorant sich dicht gedrängt in Massen und politisch fragwürdig sich zusammen mit Rechtsextremen zu tummeln. Es scheint mir aber ebenso absurd, dass so viele Menschen, die sich als fortschrittlich, links oder liberal begreifen auf einmal für autoritäre Zwangsmaßen eintreten. Es mutiert nicht nur der Virus, Rechtsextreme mutieren zu vermeintlichen Verteidigern von Demokratie und Freiheit, Linke machen sich stark für Zwangsimpfungen.

 

Leider reichen wenige Ignoranten um sehr viel Unheil anzurichten, Superspreader aus Überzeugung können die Vorsichtsmaßnahmen von Hunderten zunichtemachen. Das liegt in der Natur der ansteckenden Krankheiten. Für mich trotzdem kein ausreichender Grund die gesamte Bevölkerung ständig mit neuen Verordnungen und Zwangsmaßnahmen zu traktieren.

 

Damit sich die Viren nicht so schnell verbreiten tragen wir nun Masken. Im April saß ich als Einzige mit einer Maske in der U-Bahn und wurde ziemlich komisch angeguckt (damals meinte der Gesundheitsminister noch die bringen nichts). Inzwischen herrscht nicht nur dort die Maskenpflicht und jede*r ohne Maske wird ziemlich komisch angeguckt und bestraft. Ein Bekannter von mir hat es gewagt in der U-Bahn etwas zu trinken, kurz ohne Maske es geht ja nicht anders, dummerweise kam just der Sicherheitsdienst und hat ihm 40 Euro abgeknöpft. Mir kommt das ziemlich überzogen vor. Ich glaube kaum, dass solche Aktionen zur Akzeptanz der Maßnahmen beitragen, sondern zur Unterordnung aus Angst vor Strafe. Ich habe mehr Angst vor einem zunehmend autoritären Gesellschaftsklima, als davor krank zu werden. Ich würde die Maske lieber  freiwillig  tragen, denn als Verpflichtung. Mit der neusten Regel, der Pflicht zur OP oder FF2 Maske kriegt der gesamte öffentliche Raum Krankenhauscharakter. Und die Maskenhersteller freuen sich. Was kommt noch? Geht es bald im Schutzanzug zum Einkaufen? Auf das die Müllberge bis ins Unendliche wachsen.

 

Zweifelsohne kann Hygiene die Ausbreitung von Infektionskrankheiten, so auch SARS-2, eindämmen. Doch schon Hygiene-Altmeister Pasteur (der das „pasteurisieren“ der Milch erfunden hat) soll verkündet haben:

 

„Der Erreger ist nichts, das Milieu ist alles“.

 

Also Erreger können sich dort ausbreiten und krank machen, wo sie auf bestimmte Bedingungen treffen. Damals, zu Pasteurs Zeiten, war es vor allem die Tuberkulose die sich gerne dort ausgebreitet hat wo die Menschen zusammen gepfercht in dunklen, feuchten und beengten Blocks hausen mussten. Das „pasteurisieren“, also abkochen von Milch, war ein wichtiger hygienischer Schritt um die Ausbereitung der Tuberkel zu verhindern. Wirklich gesund sind die Menschen aber erst geworden wenn sie statt in dunkeln feuchten Kellern, in trockenen, helleren Wohnungen lebten und genug zu essen hatten. Übrigens sterben weltweit immer noch 1,5 -1,8 Millionen jährlich an Tuberkulose, Tendenz steigend, pasteurisierte Milch hin oder her, wahrscheinlich trinken sie gar keine Milch. Mangelnde Hygiene ist wahrscheinlich auch ein Problem, aber nicht die Ursache.

 

Auf Covid-SARS-2 bezogen lässt sich feststellen, dass Slums, Massenunterkünfte, Alten- und Pflegeheime, Flüchtlingslager und Schlachthöfe ein besonders ungesundes Milieu sind. Ski-Tourismus-Hochburgen, sowie Gegenden mit einem hohen Anteil rechtsextremer Gesinnung  wurden aus anderen Gründen als Infektionsschleudern bekannt.

 

Wenn wir Pasteur folgen, macht es Sinn, nicht nur auf Hygiene zu achten, sondern langfristig für ein gesünderes Milieu zu sorgen, besonders dort wo es offensichtlich besonders nötig ist.